Flavor und Food Pairing liegen im Trend – nicht nur bei Spitzenköchen. Die Kombination von Aromen, die auf den ersten Blick gar nicht unbedingt zusammenpassen, hat neue Geschmackserlebnisse geschaffen. Wer hätte vor 20 Jahren Schokolade mit Chili gegessen? Dass man im nächsten Schritt überlegt, welcher Wein mit welchem Gericht harmoniert, ist nichts Neues – dass man inzwischen auch über passende Biere nachdenkt, schon. Wie aber funktioniert das genau? Und welche Rolle spielt das Malz dabei? Wir haben einen Experten befragt: den Gastrosophen Nikolai Wojtko.

 

BESTMALZblog: Herr Wojtko, erklären Sie uns doch zuerst einmal die Basics: Flavor Pairing, Food Pairing, Wine oder Beer Matching – was bedeutet das eigentlich alles genau?

Nikolai Wojtko: Zunächst muss man Aroma und Geschmack unterscheiden – etwas, das gern durcheinandergeworfen wird: Aroma ist etwas Flüchtiges, das wir zuerst mit der Nase aufnehmen. Am Gaumen entfaltet es sich dann und legt seine entsprechende Note frei, etwa Zitrus, holzig, schokoladig oder rauchig. Aromen gibt es fast unbegrenzt viele. Geschmack bzw. die Geschmacksrichtung ist klar umrissen, da gibt es fünf: süß, salzig, sauer, bitter und Umami. Letzteres ist japanisch und bedeutet Wohlgeschmack, wohlschmeckend. Es ist die Geschmacksrichtung, die durch Glutaminsäure hervorgerufen wird und die wir alle lieben. Mit dem inzwischen häufig verpönten künstlichen Geschmacksverstärker Glutamat wird sie nachgebildet.

Fermentierte Lebensmittel wie Parmesan, aber auch getrocknete Tomaten oder Steinpilze enthalten Glutaminsäure, sie erzeugen das Umami-Gefühl im Mund. Um zur Frage zurückzukommen: Flavor Pairing bedeutet, dass man Lebensmittel auf ihre Aromen hin analysiert und ausprobiert, welche Aromen miteinander harmonieren oder einen interessanten Kontrast bilden. Darauf baut das Food Pairing auf, bei dem man schaut, welche Zutaten sich ergänzen oder spannende Aromenkompositionen ermöglichen. Das Matching fügt dem Gericht das passende Getränk hinzu. Und das ist inzwischen längst nicht mehr nur der richtige Wein, sondern auch das perfekte Bier zum jeweiligen Essen.

 

BESTMALZblog: Wie findet man denn heraus, welche Aromen zueinander passen? Gibt es dafür Regeln?

Nikolai Wojtko: In der Küche kann man mit sogenannten Flavor Trees – Aromenbäumen – arbeiten. Diese basieren auf lebensmittelchemischen Analysen von Hauptaromakomponenten und zeigen auf, welche Aromen und damit Zutaten zueinander passen, da es zwischen vielen von ihnen Verbindungslinien gibt. Beim Kochen ist ein zusätzlicher wichtiger Faktor die Zubereitungsart – das wird unmittelbar klar, wenn man überlegt, wie etwa ein Stück Rindfleisch gekocht im Gegensatz zu einem gebratenen oder gegrillten Steak schmeckt. Auch die Textur spielt eine Rolle – eine Sauce mit exakt den gleichen Zutaten und Gewürzen schmeckt dünnflüssig ganz anders, als wenn man sie reduziert. In Sachen Textur hat die Molekularküche einen wichtigen Beitrag geleistet, da sie klassische Geschmacksmuster hinterfragte und überlegte, wie man diese aufbrechen kann. So begann man – mit teilweise laborähnlichen Gerätschaften – ungewöhnliche Texturen zu schaffen, wie etwa Schäume oder Sphären, die mit fester Hülle und flüssigem Kern dem Kaviar ähneln. Wenn man zum Beispiel Äpfel oder Sauerkraut in Sphären anbietet, verändert sich das Geschmackserlebnis vollkommen. Was ich damit sagen will: Die Flavor Trees geben Anhaltspunkte, am Ende muss man aber mit den Aromen, der Zubereitungsart und der Textur experimentieren. Grundsätzlich gibt es heute eigentlich keine Verbote mehr, das heißt, man probiert alles aus. Rote Beete im Dessert wäre vor einigen Jahren undenkbar gewesen – heute zählt beim Nachtisch nicht mehr so sehr die Süße als vielmehr die Geschmacksfülle.

 

BESTMALZblog: Aber wie finde ich nun das passende Getränk zum Gericht?

Nikolai Wojtko: Das Getränk ist dazu da, die Aromen des Gerichts zu unterstreichen oder zu ergänzen oder Gegensätze zusammenzubringen. Zu Wild etwa wird klassisch immer etwas Süßes auf dem Teller gereicht, üblicherweise Preiselbeeren. Das könnte ich aber auch durch ein Getränk mit süßer Kopfnote ersetzen. Habe ich Erbsen auf dem Teller, kann ich diese grünen Noten mit einem leichten, grünen Wein verstärken, der aber gleichzeitig der Süße der Erbse einen Säurespiegel gibt. Zum bitteren Spargel reicht man klassisch einen herben Wein – man kann aber auch einmal einen feinherben probieren, weil er mit seiner süßlichen Note einen Kontrast bietet. Es ist eine Grundsatzentscheidung: Möchte ich etwas Ähnliches oder etwas Gegensätzliches als Getränk servieren?

 

 

BESTMALZblog: Und wo bleibt jetzt das Bier?

Nikolai Wojtko: Köche gehen immer mehr dazu über, neben der klassischen Weinbegleitung zu einem Gericht oder Menü auch eine Bierbegleitung anzubieten. Heute haben wir ja eine viel größere Vielfalt beim Bier, die wiederum von der größeren Auswahl an Malzen profitiert. Und das Malz hat eben einen starken Einfluss auf das Bieraroma. Da geht es heute nicht mehr nur um die Frage: „Bitter oder süßlich? Pils oder Weizen?“ Hier spielen inzwischen Röstaromen eine Rolle, aber auch Frucht-, Kaffee-, Karamell- oder Schokoladennoten. Malze mit ihren unterschiedlichen Aromen sind der entscheidende Treiber für abwechslungsreiche Biere, die mittlerweile selbst bei Spitzenköchen ihren festen Platz im Angebot haben. Aber auch in der Alltagsküche kann ein interessantes Bier einen spannenden Kontrapunkt zu meinem einfachen Gericht setzen. Experimentierfreude ist angesagt!

 

BESTMALZblog: Vielen Dank für das interessante Gespräch!

 

Nikolai Wojtko beschäftigt sich als Autor und Gastrosoph mit der kulturgeschichtlichen Bedeutung des Kochens, des Essens und des Genießens. Er ist Herausgeber des gastrosophischen Onlinemagazins Tartuffel.
www.wojtko.de
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